Damp Footnotes
Ein Projekt von Dafna Maimon mit Victoria Camblin, Jessica Gadani, Leah Katz und Rosalind Masson
Durch Silvia Federicis Essay „On the Meaning of Gossip“ wissen wir, dass das Wort „Gossip“ ursprünglich nicht für Klatsch und Tratsch stand, sondern eine:n enge:n Freund:in bezeichnete. Ausgehend von Federicis Definition ist das Projekt Damp Footnotes aus dem Gedanken heraus entstanden, dass man sich an die Zehen guter Freund:innen erinnern oder sie sich zumindest vorstellen kann.
Zehen sind faszinierend; sie sind gleichermaßen verführerisch, abstoßend und albern, aber sie verbinden uns auch mit dem Boden und verteilen unser Gewicht. Zehen reiben an den Schuhen, sie schwitzen in billigen Socken, manchmal bekommen sie Ballen, weil sie in enge High Heels gezwängt werden. Sie nutzen sich beim Tanzen, Gehen und Stehen ab. Lebensstile und -geschichten sind in den Füßen verkörpert und eingebettet. Darüber hinaus sind Zehen hochgradig kommunikative, tentakelartige Gliedmaßen, die historisch nicht nur äußerst oft symbolisch aufgeladen, sondern auch kontrolliert wurden. Insbesondere wenn man an die Füße von Frauen denkt und daran, wie sie behandelt wurden, können Zehen größere kulturelle und persönliche Geschichten erzählen.
Der Essay „Der große Zeh“ des französischen Philosophen und Schriftstellers George Batailles aus dem Jahr 1929 beschreibt den Zeh als das menschlichste Körperteil, da er uns von unseren nächsten Primatenverwandten (Schimpansen, Bonobos, Orang-Utans usw.) unterscheidet: Deren Äquivalente zu unseren „große Zehen“ ähneln eher zwei weiterer Daumen, die das Leben auf Bäumen erleichtern. Bataille schildert in dem Essay eine typische Binarität: einerseits unsere Füße, die im Dreck und Schlamm der Erde wühlen, und dabei die niederen, unterirdischen und höllenähnlichen Dimensionen darstellen, während andererseits unsere Köpfe dem Licht, dem astronomischen Himmel, wie auch dem göttlichen Himmelreich entgegenstreben und somit die erwünschte Richtung der Evolution – hin zur Vernunft des Menschen als höchster Ordnung – abbilden.
Damp Footnotes hebt diese Richtung auf: Wie die Fußnoten in einem Text verzweigt sich die Performance zu einer rhizomatischen, nicht-linearen Meditation über Zehen und Freund:innen, innerhalb welcher das Wissen, das durch Freundschaft verarbeitet und erschaffen wird, zu einer intimem und fußorientierten Erfahrung verwoben wird.
In der Kunstbrücke am Wildenbruch werden die Besucher:innen in kleinen Gruppen für 22 Minuten – die Länge einer Friends-Episode – durch Maimons Performance geführt und können dabei erforschen, wie Freund:innen einander durch die poröse Intimität der Freundschaft infizieren, beeinflussen und formen. Damp Footnotes ist eine Ode an die Art und Weise, wie Freund:innen uns auf den Boden der Tatsachen zurückholen und uns im Jetzt erden können, um uns so zumindest kurze Episoden nicht quantifizierbarer Koexistenz und fließender Bewusstseinsströme zu ermöglichen, die frei und losgelöst von den unaufhörlichen Ausschweifungen unseres rationalen Verstandes sind.
Damp Footnotes entsteht durch und mit Freundinnen: die Schriftstellerin Victoria Camblin entwickelt einen Text für den Raum, während Jessica Gadani, Leah Katz und Rosalind Masson das Werk durch Performances verkörpern und gestalten.
26. und 27. November, 16-20:30 Uhr
Die Teilnehmer:innenzahl ist begrenzt. Um Anmeldung unter pssst@gossipgossipgossip.org für eine der folgenden Performance-Zeiten wird gebeten:
16:00 / 16:40 / 17:10 / 19:10 / 19:50 Uhr
Die Teilnehmer:innen werden in kleinen Gruppen etwa alle 20 Minuten durch die Performance geleitet. Falls nicht alle Plätze ausgebucht sind, ist eine Teilnahme auch spontan möglich.
Bitte dem Wetter entsprechend warm anziehen, um etwaige Wartezeiten zu überbrücken.